ANTIKE MÜNZEN SAMMELN

Münzen faszinieren – abgesehen von ihrem Wert – durch ihre schlichte Schönheit. Zudem sind sie historische Primärquellen, die unmittelbar zu uns sprechen. Jedem ist das Medium Münze auch heute (noch) vertraut, sodass dem Verständnis ihrer Bildsprache denkbar niedrige Hürden entgegenstehen. Die Vielfalt der antiken Münzen ist nahezu unüberschaubar. Die Schätzungen bewegen sich zwischen sechzig- und achtzigtausend Typen griechischer, römischer, keltischer und byzantinischer Münzen. Von den teils in großen Mengen geprägten Stücken, so lautet eine andere Schätzung, dürften 1–2 % „überlebt“ haben, sodass wir sie heute in Händen halten können. Es gibt also kaum einen Münzherren, kaum ein Prägejahr oder Ereignis, das der numismatischen Überlieferung entgangen ist.

Hinzu kommt eine historische Kontinuität, wie sie kein anderes Medium besitzt: Seit ihrer Erfindung sind Münzen fester Teil der europäischen Alltagskultur, was sich von anderen Quellengattungen wie Inschriften und Kunstplastik nur bedingt sagen lässt. Stellt man die einzelnen Objekte fundiert in diese Tradition, so kann man anhand einer Münze das Spezifische an ihrem Emittenten, sei es ein Herrscher, eine Stadt oder ein Staat, leicht herausarbeiten. Münzen erzählen also mehr über die Geschichte, als man es sich gemeinhin vorstellt. Wer an einer Schule oder einer Universität einmal didaktisch mit Münzen gearbeitet hat, weiß, dass diese Objekte sich ganz besonders zum Brückenschlag in die Vergangenheit eignen. Dass sie neben diesen intrinsischen Werten auch rein pekuniäre Werte verkörpern, macht sie – neben ihrer teils atemberaubenden Schönheit – zu Sammelobjekten par excellence. Auch kulturgeschichtlich betrachtet waren Münzen nie nur Geldstücke, sondern zugleich auch stets Informationsträger (Medium), was Robert Göbl „Doppelcharakter“ von Münzen bezeichnete.

Die Besonderheiten der Quellengattung „Münze“ haben dazu beigetragen, dass alte Geldstücke zu Sammelobjekten wurden. Bereits für die Zeit der Römischen Republik gibt es Hinweise darauf, dass Aristokraten sich intensiv mit älteren Münzen befassten. Der römische Schriftsteller Plinius überliefert uns einen Brauch des Kaisers Augustus, der ihm nahestende Personen zum Neujahrstag mit historischen Münzen beschenkte. Kontorniaten (medaillenartige, häufig als Spielsteine verwendete spätantike Großbronzeprägungen) zeugen ebenfalls von einem Interesse für altes Geld und dessen Bildmotive, die sie wieder aufgriffen. Auch im Mittelalter dürfte dieses antiquarische Interesse nie versiegt sein, wie die Augustalen Kaiser Friedrichs II. (1197/1220–1225) nahelegen, die deutliche Anleihen an der Ästhetik der Römischen Kaiserzeit nehmen. Mit der Renaissance erhält die Archivierung alter Münzen einen neuen Anspruch: Sie werden nun als Zeitzeugen befragt, um Geheimnisse der Vergangenheit zu lüften. Niemand anderes als der bedeutende Dichter Francesco Petrarca (1304–1378) betätigte sich als wissenschaftlich interessierter Münzsammler. Männer wie er waren es, die das Sammeln von Münzen im wahren Sinne hoffähig machten: Ein repräsentatives Münzkabinett gehörte bald zur Grundausstattung von Adelssitzen, neben Bibliotheken und Sammlungen anderer Kunstwerke. Johann Wolfgang von Goethe konnte während seiner Italienreise einige dieser Sammlungen in Augenschein nehmen. Wie seine im Frankfurter Goethehaus ausgestellte Bibliothek belegt, war er selbst ein Münzenfreund, denn dort finden sich einige münzkundliche Standardwerke seiner Zeit. Diese Selbstverständlichkeit, mit der kulturell und historisch interessierte Menschen sich für Geld interessierten, strahlt bis ins 20. Jahrhundert aus, das mit dem naturalistischen Schriftsteller Gerhart Hauptmann und dem Tenor Caruso zwei besonders prominente Bildungsbürger sah, die bedeutende Sammlungen antiker Münzen besaßen, letzterer sogar über 1500 römische Aurei. Der Begriff Numismatik etablierte sich im 17. Jh. für die vorwiegend wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Münzen als historischer Primärquelle. Er leitet sich vom griechischen Wort nómisma für Münze ab, das etymologisch mit nómos, Gesetz, Übereinkommen, zusammenhängt.